DER ZINS UND DER BAUFINANZIERUNGSMARKT - WAS BEDEUTET DAS FÜR ANLEGER?

Im Vergleich zu November 2021 sind die Kosten für ein zehnjähriges Immobiliendarlehen um mehr als das Dreifache gestiegen. Somit haben die Zinsen für Immobilienkredite mit 4 Prozent ein neues Jahreshoch erreicht. Das ist gleichzeitig auch der höchste Stand seit dem Jahr 2011. 

Dass die Zinsen zeitnah wieder spürbar sinken werden, ist unwahrscheinlich. Vereinzelte Schwankungen nach unten sind aber möglich. Die Mehrheit der Fachleute geht sogar davon aus, dass die Zinsen für ein Baudarlehen bis zum Jahresende langsam steigen und bei etwas über 4 Prozent liegen werden.

WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DIE ENTWICKLUNG DER ZINSEN?

Als Grund für den extremen Anstieg der Bauzinsen wird von vielen die Erhöhung des Leitzinses gesehen. Das wird häufig jedoch etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Eine Anhebung der Leitzinsen beeinflusst nicht unmittelbar die Erhöhung der Zinsen für Immobilienkredite. 

Die Abhängigkeit von Hypothekenzins und Leitzins ist zwar vorhanden, aber weitaus komplexer. Ein Treiber ist die „hohe Inflation“, die die Renditen langfristiger Anleihen und Pfandbriefen anfeuert, wonach sich die Bauzinsen überwiegend orientieren.

Wie sehr beeinflusst der Leitzins die hypothekenzinsen?

Um die Inflation zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins innerhalb eines Jahres in nur drei Schritten von null auf 2 Prozent angehoben. Im Winter sollen dann die wichtigsten Zentralbanken die weitere Entwicklung des Baugeldes bestimmen.

Die Notenbanken sind in solchen Fällen gezwungen, ihren Spielraum weiter auszudehnen. Um aber ein Überlasten der Konjunktur zu vermeiden, müssen bei Zinssteigerungen die ökonomischen Grenzen unseres Wirtschaftssystems genauestens beachtet werden. Eine Überlastung muss unbedingt vermieden werden. Selbst bei steigendem Leitzins könnten sich dann die Bauzinsen auf stabilem Niveau halten oder sich idealerweise leicht nach unten korrigieren.

Bricht der Immobilienmarkt ein?

Durch das sprunghafte Umfeld – verursacht durch Inflation, Zinsanstieg, Lieferkettenengpässe und Ukrainekrieg – sind so viele Variablen in Bewegung wie noch nie. Bauträger und Projektentwickler haben mit der Materialknappheit, den Lieferschwierigkeiten, dem Fachkräftemangel sowie den erheblich gestiegenen Finanzierungs- und Baustoffkosten schwer zu kämpfen. Daraus resultiert, dass viele Vorhaben verschoben oder sogar auf Eis gelegt wurden. Im Jahr 2022 werden in Deutschland deshalb rund 150.000 Wohnungen weniger gebaut als von der Bundesregierung vorgesehen waren, die aber dringend benötigt werden.

Außerdem ist die Vergabe von Krediten schwieriger geworden. Um ein Darlehen zu bekommen, muss die Kapitaldienstfähigkeit wegen der gestiegenen Zinsen gewährleistet sein. Die Banken sind deshalb strenger bei der Prüfung von Bonitäten geworden. Hinzu kommt, dass höhere Absicherungen und mehr Eigenkapital verlangt werden. Deshalb ist die Nachfrage, insbesondere nach selbstgenutzten Immobilien im Hochpreissegment, stark zurückgegangen.

Bei dieser Fülle an Negativentwicklungen könnte man sich die schlimmsten Untergangsszenarien ausmalen. Zur Beruhigung: Dies ist kein Einbruch des gesamten Immobilienmarkts, sondern die Folge einer vorherrschenden Übernachfrage, die sich jetzt allmählich abbaut. Somit normalisiert sich gerade die Marktsituation. Dass die Immobilienpreise zeitnah signifikant einbrechen, insbesondere in Großstädten und Metropolregionen wie Stuttgart, ist aus heutiger Sicht ausgeschlossen. Hierfür müssten ganz schnell viele bezahlbare Wohnungen zur Verfügung stehen, die aufgrund der gestiegenen Baukosten und Zinsen, der Lieferkettenprobleme bzw. der hohen Mindeststandards in der Bauausführung nicht gebaut werden können. 

Ein weiterer Aspekt, der maßgeblich für Stabilität auf dem deutschen Immobilienmarkt sorgt, sind die langfristig angelegten Immobilieninvestments mit langfristig abgesicherten Zinsfestschreibungen. Diese schützen vor hohen Schwankungen und sorgen für eine sehr geringe Volatilität. Laut VDP-Recherche haben sich die Preise für Wohnimmobilien in Großstätten im Vergleich zum 2. Quartal 2022 zwar um -0,7 % zurück entwickelt, aber im Vergleich zum 3. Quartal 2021, also vor einem Jahr, sind sie um + 6,1 % gestiegen. Das bedeutet, dass bereits jetzt Verkäufer die vorherrschende Inflation einpreisen. Der Wohnimmobilien-Markt in Deutschland ist in solchen Wirtschaftsphasen auch aus verschiedenen anderen Gründen robuster als der Aktien-Markt. Darauf gehen wir in einem späteren Blog genauer ein.

die rückkehr zur 1-prozent-tilgung bei annuitätendarlehen

Während der Niedrigzinsphase war es gang und gäbe, mit einer möglichst hohen Anfangstilgung zu starten, um damit die Schuldenlast schneller zu minimieren. Auch Banken waren daran interessiert, dass der Kredit zügig zurückgezahlt wird, um das Risiko künftig steigender Zinsen auf dem Kapitalmarkt zu reduzieren. Die Anfangstilgung eines Grundschulddarlehens lag bei mindestens zwei Prozent.

In den 2000er Jahren hingegen, in denen man für Bauzinsen 4,5 Prozent oder mehr zahlte, war eine einprozentige Tilgung durchaus üblich. Mit der niedrigeren Tilgung werden die Raten geringgehalten und damit die Attraktivität für Immobilien-Investments gesteigert. Mit Sondertilgungen könnte man zu einem geeignetem Zeitpunkt ausgleichen bzw. die Tilgungshöhe anpassen. Zurzeit bieten immer mehr Banken wieder die einprozentige Tilgung.

verlängert sich dadurch die abzahlungsdauer?

Die Gesamtlaufzeit einer Baufinanzierung bestimmen zwei Faktoren – Zinssatz und Tilgungssatz, die sich gegenseitig bedingen. Wer einen Vertrag mit einer einprozentigen Tilgung schließt, ist bei einem Zins von 5 Prozent schneller fertig als bei einem Zinssatz von nur 1 Prozent. 

Klingt merkwürdig, ist aber simple Mathematik. Getilgt wird in beiden Fällen mit der anfänglichen Tilgung (Bsp. 1 %) zuzüglich ersparter Zinsen. Fall 1: 5 % oder Fall 2: 1 %. Je höher also der Zins, desto höher der Anteil der ersparten Zinsen! 

Durch den annuitätischen Hebel wird des Darlehen, bei gleichbleibender Rate, schneller getilgt. Kapitalanleger können darüber hinaus die Zinsausgaben in voller Höhe steuerlich absetzen und dadurch die Steuereinnahmen kompensieren. Das gleiche Prinzip gilt auch bei einer höher festgelegten Tilgung. Auch darauf gehen wir in einem späteren Blog näher ein.

wie wird sich der preis der immobilien nach der boom-dekade entwickeln?

Da die Baupreise bei gestiegenen Zinsen aller Vorrausicht nach noch weiter steigen werden und die Inflation in Deutschland auf hohem Niveau bleiben wird, werden die Preise für Wohnimmobilien in Ballungszentren nicht nur stabil bleiben, sondern langfristig im Nennwert weiterwachsen. Die bereits vorherrschende Nachfrage nach Mietwohnungen wird die Preise für Mieten nach oben bewegen. Eigentümer von Bestandsimmobilien können sich auch wegen der schleppenden Schaffung von Neubauwohnungen auf eine hohe Nachfrage nach bezahlbaren Investments und Mietwohnungen in Stuttgart einstellen. Die Aussicht für langfristig orientierte Immobilienkäufer sieht vielversprechend aus.

Die Auswirkung der Steuervorteile, der Einfluss der Inflation auf eingefrorene Darlehenssummen und den künftig zu erwartenden Mietsteigerungen machen Immobilien-Investments nach wie vor attraktiv. Das private Immobilien-Investment genießt heute noch Privilegien wie kein anderes Investitionsgut auf dem Finanzmarkt. Und gleichzeitig leisten Wohnimmobilien auch einen sozialen Beitrag für unsere Gesellschaft.

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